Eigentlich sind Clowns sehr angenehme Zeitgenossen, und ich umgebe mich gerne mit ihnen. Nur, nach meiner Landung am Flughafen Köln-Bonn vor ein paar Wochen befand ich mich in einer ungewöhnlichen Situation; denn mein Koffer war in Wien zurück geblieben – und als ich das verlorene Gepäckstück reklamieren wollte, saß ich karnevalsbedingt einem Menschen gegenüber, der sich als Clown verkleidet hatte. Zwar war es erheiternd, als dieser kichernd und in kölschem Dialekt scherzend meine Daten aufnahm – sonderlich vertrauenserweckend war es aber nicht.
Geht es nach T-Systems, so sollen mit Hilfe des High-Tech-Koffers „Bag2Go“ solche Situationen in Zukunft vermieden werden. Über GPS teilt er seine Position stets den Servern der Deutschen Telekom mit, von denen der Nutzer die exakte Position seines Gepäckstücks abrufen kann; außerdem verfügt er über ein – von E-Readern wie dem Kindle – bekanntes E-Ink-Diplay, auf dem er seine Destination eigenständig anzeigen kann – das vom Bodenpersonal angebrachte Papier-Label wird somit hinfällig. Zudem kann sich der Koffer selber wiegen. Mittelfristig könnte dadurch, so verriet mir ein Mitarbeiter von T-Systems auf der CeBIT, der Koffer per Paketdienst direkt vom eigenen Wohnzimmer in das Hotelzimmer am Urlaubsort geliefert werden – der Reisende selbst müsste das Gepäckstück dann kein einziges Mal heben.
Alles digital
Durch Bag2Go würde eines der letzten Ärgernisse der analogen Reise-Welt fallen: Das Schleppen eines physischen Guts inklusive Schlange-stehen beim Baggage-Drop-Off. Denn die meisten anderen Bereiche sind inzwischen digitalisiert, und so wurde die Effizienz maximiert: Vor der Reise lassen wir uns über Seiten wie Pixmeaway.com ein Reiseziel vorschlagen, informieren wir uns auf digitalen Reiseführern wie wikitravel.org über die Destination, buchen anschließend den Flug online, suchen uns eine Unterkunft über Airbnb, Wimdu, 9flats, hotelscombined.com oder hoteltonight.com und checken kurz vor dem Flug auch online ein – die Bordkarte haben wir dann freilich am Smartphone. Vor Ort helfen uns Google Maps, Wikitude, sowie die Apps von Tripwolf und Lonely Planet bei der Orientierung. Magazine und Bücher lesen wir längst auf iPad und Kindle statt auf Papier.
Doch es gibt eine Phase der Reise, in der wir offline sind: Der Flug. Und auch das soll sich in Zukunft ändern.
Denn während bereits erste Versuche zu Internet über den Wolken von diversen Airlines durchgeführt werden, präsentierte T-Systems auf der CeBIT diverse konkrete Anwendungsszenarien. So soll es Managern möglich sein, auch während des Flugs Emails zu verschicken, Dinge im Web zu recherchieren, auf Firmen-Server zuzugreifen oder gar Videokonferenzen abzuhalten. Wer es verpasst hat, sich über seine Destination zu informieren oder ein Hotel zu buchen, kann dies online in letzter Minute machen. Und jene, die für die Liebsten zuhause kein Mitbringsel gekauft haben, können dies noch rasch am Heimflug erledigen – bezahlt werden kann per Handy-Geldbörse, abgeholt wird die Ware am Schalter des Zielflughafens. Zugegeben: Das ist nicht sonderlich ehrlich oder romantisch – aber eine brauchbare Lösung in letzter Minute.
Betriebsrat ante portas
Viele dieser Lösungen klingen in der Laborsituation gut und werden vermutlich tatsächlich dem Reisenden einige Unannehmlichkeiten abnehmen – ihre Praxistauglichkeit wird sich aber erst im Kontakt mit echten Menschen weisen. So wird etwa das Bezahlen von Waren mit dem Smartphone bereits seit Jahren propagiert, wirklich durchsetzen will es sich aber – zumindest in Europa – noch nicht. Außerdem wird sich die Frage stellen, wie das WLAN im Flugzeug genutzt wird, und zu welchen Kosten – und sind Videokonferenzen auf solch engem Raum eine gute Idee? Schützer von Betriebsgeheimnissen dürften nun ebenso die Stirn runzeln wie jene, die auf einem Langstreckenflug auch gerne mal ein Nickerchen machen, statt sich die Privatgespräche des Sitznachbarn anhören zu müssen.
Der Bag2Go-Koffer, der bereits zu Weihnachten 2012 erhältlich sein soll, wird sich ebenfalls beim Kunden erst noch durchsetzen müssen; auch müssen passende Geschäftsmodelle entwickelt werden. Und wenn der smarte Koffer wirklich flächendeckend eingesetzt werden sollte, wird es wohl einen Aufschrei bei den Betriebsräten diverser Airlines und Flughäfen geben. Denn dann steht ein Jobabbau beim Bodenpersonal auf dem Programm – während sich wiederum die Koffer-transportierenden Botendienste über neue Aufträge freuen können.
Der Personal-Punkt bringt mich schließlich zu einem abschließenden Statement in Bezug auf die Kölner Koffersituation: Keine Sorge, das Gepäckstück tauchte wenige Stunden später in meinem Hotel auf. Ich hatte mich umsonst gesorgt und aus der Geschichte etwas gelernt: Auch Clowns können kompetent sein. Selbst an Karneval.